Elisabeth Koch, Herbst 2017
Dies hier ist meine persönliche Sicht auf mehr als 40 Jahre an der ZAMG, während derer ich mich mit unterschiedlicher Intensität der Phänologie[1] widmen konnte.
Bei meinem Eintritt lag die Phänologie in den bewährten Händen von Frau Dr. Maria Roller. Sie hatte nach dem 2. Weltkrieg das phänologische Beobachtungsnetz der ZAMG nicht nur wiederbelebt[2] sondern zu einer Hochblüte geführt, als knapp 500 Stationen aktiv waren. Maria Roller veröffentlichte regelmäßig in „Wetter und Leben“ ihre eigenen phänologischen Beobachtungen, die sie auf ihren Wanderungen vor allem im Wienerwald gesammelt hatte (Witterung und Phänologie am Alpenostrand). Die von den Beobachterinnen und Beobachtern erfassten Daten werden und wurden in den Jahrbüchern der ZAMG veröffentlicht. Frau Dr. Roller fasste sie auch in zahlreiche Publikationen zusammen und publizierte unter vielem anderem „Durch-schnittswerte phänologischer Phasen aus dem Zeitraum 1946 bis 1960 für 103 Orte Österreichs“ oder „Die jahreszeitliche Entwicklung der Pflanzen- und Tierwelt als Klimazeiger (in Naturgeschichte Wiens, Band 1, 1970). Und dies alles in mühsamer Rechenarbeit von Hand, denn die Daten lagen nur auf Papier vor.
Frau Dr. Roller wurde im Juli 1976 in den Ruhestand versetzt (ich beendete in diesem Jahr mein Studium und bekam sofort eine Anstellung an der ZAMG), was aber nicht das Ende ihrer Beschäftigung mit Phänologie und ihrer Publikationstätigkeit bedeutete. Bis 1984 betreute sie das Beobachtungsnetz weiter und veröffentlichte die „Übersicht über den Ablauf der Witterung und der phänologischen Phasen“ in den Jahrbüchern der ZAMG.
Das Jahr 1987 war ein Meilenstein der Phänologie an der ZAMG. Dr. Wolfgang Lipa, damals IT Abteilung, wandte sich mit der Idee einer elektronischen Phäno-Datenbank an mich und gemeinsam konnten wir das Projekt auf die Beine stellen. Zu Beginn wurden nur die laufenden Beobachtungsdaten digitalisiert – eine Aufgabe, für die Frau Annemarie Roth verantwortlich ist – dann konnten im Rahmen von Entwicklungsprojekten fast alle alten Daten, die nur in Papierform vorlagen, dank Thomas Hübner in die Datenbank integriert werden.
Im Jahr 2000 wurde eine völlig neue Phänologie- Beobachtungsanleitung den Beobachterinnen und Beobachtern zur Verfügung gestellt. Mittlerweile hatte die Phänologie nach einem längeren „Dornröschenschlaf“ als Bio-Indikator für den Klimawandel neue Bedeutung erlangt. Dr. Annette Menzel mit Prof. Dr. Peter Fabian, beide TU München konnte mit einem Artikel über eine Seite in Nature „Growing season extended“ (1999) die Phänologie in den Fokus der Klimawandelforschung rücken. Mit Prof. Dr. Annette Menzel als Projektleiterin wickelte ich 2000/2001 das erste im 5. Rahmenprogramm der EU finanzierte Projekt der ZAMG ab. Dr. Helfried Scheifinger konnte ich als wissenschaftlichen Mitarbeiter für das Projekt POSITIVE (Phenological Observations and Satellite data (NDVI): trends in the Vegetation cycle in Europe) gewinnen und er hat dabei sein Interesse um nicht zu sagen seine Liebe zur Phänologie entdeckt. Helfried Scheifinger und ich waren die Autoren von „Phänologie“ im Klimahandbuch der österreichischen Bodenschätzung, Klimatographie Teil 2 (erschienen 2003).
Von 2004 bis 2009 durfte ich die COST[3] Action 725: “Establishing a European Phenological Data Platform for Climatological Applications” leiten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus 27 europäischen Staaten nahmen an dieser Aktion teil. Nicht unerwähnt darf bleiben, dass Dr. Wolfgang Lipa die Arbeitsgruppe 2 „Guidelines for data selection, observations and archiving“ leitete und ihm die Aufgabe oblag, die von den TeilnehmerInnen eingebrach-ten Daten in einem einheitlichen Format in eine Paneuro-päische Datenbank einzubinden, unterstützt wurde er dabei von Mag. Susanne Zach-Hermann.
Ein Produkt (unter vielen) dieser Aktion waren die “Guidelines for plant phenological observations”, die unter meiner Federführung von der WMO, Commission for Climatology, im Rahmen des World Climate Data and Monitoring Programme WCDMP als Technical Document WMO/TD No. 1484 im Jahr 2009 publiziert wurde.
Während der Zeit als COST Action Chair ging die Phänologie - Homepage der ZAMG online. Robert Neumcke, damals Student an der Universität Freiburg im Breisgau, konnte diese im Rahmen seines Praktikums an der ZAMG verwirklichen. 2006 gewann das Team Koch/Scheifinger/Neumcke damit den Klimaschutzpreis in der Kategorie Wissenschaft des Lebensministeriums und der Österreichischen Hagelversicherung.
Von 2010 bis 2016 war ich Programme Manager von PEP725 (Pan European Phenological Database www.pep725.eu), gefördert von EUMETNET (The Network of 26 National Meteorological Services) und bm:wfw. Mag.a Anita Paul obliegt die Datenbank und die Datenprüfung, Mag. Markus Ungersböck die Webpage und die Datenbank. Kollege Scheifinger übernahm 2017 die Leitung. Derzeit ist eine Veröffentlichung über die PEP725 Datenbank im International Journal for Biometeorology, mit der Hauptautorin Dr. Barbara Templ, im Review-Prozess.
Eines meiner Lieblingsprojekte war jedoch BACCHUS (KlosterneuBurg wine And Climate Change in Lower Austria. Dr.in Christa Hammerl und MMag. Dr. Christian Maurer, unterstützt von Teresa Hammerl und Elfriede Pokorny bildeten ein erfolgreiches Team. Im Stiftarchiv von Klosterneuburg, wurde nach weinrelevanten Daten wie Termin der Weinlese, Weinblüte, aber auch nach Angaben über die Weinmenge und Qualität in Original-Quellen recherchiert. Die dort aufgefundenen und ausgewerteten Weinlesedaten überdecken den Zeitraum von 1668-1879. Zusammen mit den Lesedaten des Wiener Bürgerspitals von 1523-1749 ergibt dies eine mehr als dreihundertjährige Beobachtungsreihe mit nur wenigen Lücken. Weinlesedaten, gesammelt von der HBLA Kloster-neuburg 1966-2007 von Klosterneuburg und Wien schließen ab 1970 bzw. 1960 an diese Reihen an. Die Hauptergebnisse dieses Forschungsprojektes wurden 2009 im Journal of Geophysical Research mit dem Titel „BACCHUS temperature reconstruction for the period 16th to 18th centuries from Viennese and Klosterneuburg grape harvest dates“ publiziert.
Citizen Science (CS, dt.: Bürgerwissenschaft), bezeichnet eine Arbeitsmethode der Wissenschaft, bei der wissenschaftliche Projekte unter Mithilfe oder komplett von interessierten Amateurinnen und Amateuren durchgeführt werden, CS ist eine Verbindung von Wissenschaft, Forschung und Bildung mit Bürgerinnen und Bürgern. Die Phänologie ist in hohem Ausmaß auf die Mitarbeit von Citizen Scientists angewiesen. Die Erweiterung des Wissensparks (WP) an der ZAMG in Wien und die Errichtung von WPs an den KS Stellen der ZAMG in Graz und Salzburg mit interaktiven Schautafeln, einer phänologischen Uhr (siehe Beitrag von H. Scheifinger in diesem Newsletter), welche im Rahmen von Führungen besucht werden, dienen dem Erwecken von Interesse und Neugier am Mitmachen an phänologischer Forschung. Unter großem Zeitdruck konnte im Frühjahr 2016 der Phänologie-Teil der Wissensparks verwirklicht und bei der Langen Nacht der Forschung am 22.04.2016 zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert werden. Thomas Hübner, Markus Ungersböck und Gernot Zenkl arbeiteten wesentlich an der Planung und Umsetzung mit.
Dem sich seit einigen Jahren abzeichnenden Schwund an Beobachterinnen und Beobachtern wird mittels moderner Medien entgegengetreten, leider noch nicht so erfolgreich wie in einigen anderen Ländern bspw. Schweden oder den Niederlanden. Deshalb ist uns die Betreuung der ehrenamtlichen Beobachterinnen und Beobachter des nationalen Stationsnetzes besonders wichtig. Ich möchte mich an dieser Stelle bei den Phänologiebeobachterinnen und -beobachtern recht herzlich bedanken. Ohne ihr Interesse und ihren Einsatz hätte die Phänologie nicht diese Renaissance erfahren können.
Aber jetzt zurück zur Zukunft, die spannend wird. Thomas Hübner arbeitet an der Neugestaltung der Phenowatch Homepage und am Citizen Science Projekt Naturkalender. Die in diesem Projekt bereitgestellte Smartphone App wird die Zahl der BeobachterInnen erhöhen. Besonders sollen mit der neuen Technologie jüngere Naturliebhaber angesprochen werden. Außerdem wird mit einem neuen Marketing und Kommunikationskonzept besser auf die Zielgruppen eingegangen werden.
Nach wie vor stellen lange phänologische Reihen das ideale Instrument dar, um die Wirkung des Klimawandels auf Ökosysteme zu beschreiben. Daneben dienen phänologische Beobachtungen als Grundlage für phänologische Temperatursummenmodelle, die für die numerische Pollenvorhersage und weitere Anwendungen genutzt werden. Der Vegetationsindex der neuen Europäischen Sentinel Satelliten findet in den klassischen phänologischen Bodenbeobachtungen einen unentbehrlichen „ground truthing“ Partner.
In Summe: Phänologie hat Zukunft!
[1] Phänologie ist die Lehre von den periodisch wiederkehrenden Wachstums- und Entwicklungs-Erscheinungen in der belebten Umwelt
[2] An der k.k. Centralanstalt für Meteorologie und Erdmagnetismus, initiierte Karl Fritsch- zuerst Adjunkt dann Vizedirektor- die erste systematische phänologische Beobachtung in der k.k. Monarchie Österreich Ungarn. In „Instruction für Vegeta-tionsbeobachtungen“ (1858) wurden die Beobachterinnen und Beobachter angewiesen, ihre Beobachtungsformulare alljährlich ausgefüllt an die Zentralanstalt zurückzuschicken. Mit seinem Tod im Jahr 1877 fand das systematische phänologische Netz in der k.k. Monarchie sein Ende
[3] COST European Cooperation in Science & Technology